Es war einmal eine Sterbekasse...
ARTIKEL 2025
2/5/2025
Über den eigenen Tod denkt wohl niemand gerne nach, doch gehört er zu jedem Leben dazu.
Bei einem Todesfall ist die emotionale Belastung für die Hinterbliebenen groß. Um seinen Lieben im Falle des Todes zumindest einen Teil der finanziellen Bürde zu nehmen, waren bisher die meisten Mitarbeitenden über die Sterbekasse abgesichert. Sie entstand aus dem Gedanken der Solidarität und dem Willen zur gegenseitigen Hilfe.
Wie ich aus einem Intranet-Artikel erfahren musste, ergab eine interne Revisionsprüfung nach der Trennung von Mercedes-Benz und Daimler Truck, dass die Sterbekasse in ihrer bisherigen Form nicht mehr dauerhaft fortgeführt werden kann. Eine neue Lösung für den Daimler Truck Konzern musste gefunden werden.
In der Zentrale, dem Vertrieb und dem Financial Service wird, seit dem 01.01.2024, die Sterbegeldkasse durch eine freiwillige Sterbegeldversicherung eines externen Versicherungspartners (DELA Lebensversicherung) ergänzt. Dort werden schon seit dem 01.01.2024 keine neuen Mitglieder mehr in die Sterbekasse aufgenommen, auch keine Rentner mehr. Die Sterbekasse endet dort also mit Renteneintritt. Allen „Wechslern“ in die Sterbegeldversicherung wird, bei gleicher Absicherungssumme, ein besonderes Angebot unterbreitet. Es gibt aber auch die Möglichkeit zwischen verschiedenen Modellen und Leistungen zwischen 3.000 und 20.000 € frei zu wählen (Anlage A). Alle die vor dem 01.01.2024 schon Rentner waren haben also Bestandsschutz, solange die Sterbekasse gefüllt ist, aber alle die jetzt in den Ruhestand gehen, werden rausgeschmissen. Da dann trotzdem noch von Solidarität zu sprechen, fällt mir persönlich schwer zu verstehen.
Und was wurde seitdem bei uns getan? Es passierte erstmal nichts.
Wir hörten im Jahr 2024 ein paar Mal, dass eine rechtliche Prüfung ergeben hat, dass die Sterbekasse, in ihrer damaligen Form, so nicht fortgeführt werden kann. Im November 2024 wurde uns dann die neue Satzung der Sterbekasse (Anlage B) zur Abstimmung vorgelegt, aber unsere Fragen zu dieser, in unseren Augen ziemlich schlechten, „Lösung“, wurden nicht beantwortet, weshalb wir gegen diese Satzung gestimmt haben.
Aber schauen wir uns doch unsere neue Satzung einmal gemeinsam an.
„Umsetzung und Organisation der Sterbekasse erfolgt in enger Zusammenarbeit zwischen den lokalen Betriebsräten und den involvierten betrieblichen Fachbereichen (insbesondere Entgeltabrechnung, HR, Daimler Rentenservice).“
Die komplette Umsetzung und Organisation der Sterbekasse erfolgt, aber ausschließlich vom Sekretariat des Betriebsrats, zusammen mit den betrieblichen Fachbereichen.
Und gleich der nächste Satz:
„Die örtlichen Betriebsräte treten in ihrer Funktion als betriebliche Interessenvertretung gegenüber den Beschäftigten als erster Ansprechpartner auf und repräsentieren die Sterbekassen auf lokaler Ebene.“
So wie es vorher als Solidarkasse geregelt war, hätte ich diesen Satz unterschrieben, aber so kann ich diese Sterbekasse unmöglich repräsentieren. Aber keine Sorge, es wird noch besser.
In § 2 der Satzung ist geregelt, dass ab dem 01.12.2024 für Neueintritte, in die, in der Anlage 1 (§ 1) der Satzung aufgeführten Betriebe und Betriebsteile, keine Teilnahme an der Sterbekasse mehr möglich ist.
Das wiederum heißt ja, dass die Zahl der Mitglieder unweigerlich immer kleiner wird. Und durch diese, meiner Meinung nach, ziemlich schlechte „Lösung“, die leider gar keine Lösung ist, werden die Mitgliederzahlen wahrscheinlich schnell und deutlich fallen. Das wird dann wohl bald die nächsten großen Veränderungen mit sich bringen, denn § 3 zusammen mit der Anlage 2 der Satzung regelt den Beitrag.
„Die Höhe des Beitrags wird in regelmäßigen Abständen in Zusammenarbeit von Gesamtbetriebsrat und Unternehmensleitung beurteilt und festgesetzt.“
Und § 4 mit der Anlage 3 der Satzung regelt die Höhe des Sterbegeldes.
„Die Höhe des Sterbegeldes wird in regelmäßigen Abständen in Zusammenarbeit von Gesamtbetriebsrat und Unternehmensleitung beurteilt und festgesetzt.“
Das der Beitrag und/oder das Sterbegeld vermutlich nicht lange in dieser Höhe bleiben können, soll gleich eine Beispielrechnung zeigen, zuvor noch ein paar Sätze zu §§ 6 und 10 der neuen Satzung.
§ 6 Ausschluss von Rechtsansprüchen:
„Die Leistung des Sterbegeldes erfolgt ausschließlich aus Solidaritätsgründen, freiwillig und nur im Rahmen der verfügbaren Mittel während der Laufzeit dieser Satzung. Rechtsansprüche auf Auszahlung von Sterbegeld werden durch diese Satzung nicht begründet. Sonstige Rechtsansprüche, insbesondere ein Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Beiträge sind ausgeschlossen. Auch eine langjährige Gewährung der Solidarleistung begründet keinen Rechtsanspruch.“
Für mich ist es nicht solidarisch, die jüngeren Generationen das jetzt weiterhin bezahlen zu lassen, ohne dabei ganz deutlich zu erwähnen, dass es sich ab jetzt eher um eine Spende handelt und sie definitiv keine Leistung mehr, aus der Sterbekasse, erhalten werden.
§ 10 Schlussbestimmung:
„Unternehmensleitung und Gesamtbetriebsrat treten regelmäßig im ersten Quartal eines Jahres zusammen, um rückwirkend Teilnehmendenzahlen und Kontostände zu prüfen. Die Betriebsräte informieren in der ersten Betriebsversammlung eines Jahres über den Stand der Sterbekasse auf Datenbasis des Vorjahres.“
Da bin ich jetzt schon gespannt auf die Betriebsversammlung im März, denn zum Beispiel der Kontostand wurde uns, auch auf mehrmaliges Nachfragen hin, bis heute nicht genannt.
Die folgenden Beispielrechnungen orientieren sich an den aktuellen Mitgliederzahlen der Sterbekasse Kassel.
Ich möchte betonen, dass mir die Mitgliederzahlen der letzten Jahre nicht bekannt sind, deswegen gehe ich in den Beispielrechnungen von einer gleichbleibenden Mitgliederzahl aus.
Bei 1950 Monatszahlern, 264 Selbstzahlern und 1283 Rentnern wurden in 2023 in etwa folgende Beiträge entrichtet:
(1950x2€ + 264x2€ + 1283x3€) x 12 Monate = 99.324 €
Im Jahr 2023 sind 73 Mitglieder und 9 Partner verstorben, die Auszahlungen beliefen sich also auf etwa:
73x1.500€ + 9x500€ = 114.000€
Im Durchschnitt sind die letzten 5 Jahre 65 Mitglieder, 11 Partner und glücklicherweise 0 Kinder verstorben, somit sind die durchschnittlichen Auszahlungen in etwa:
65x1.500€ + 11x500€ = 103.000€
Daran lässt sich gut erkennen, dass es natürlich einer Beitragsanpassung bedurfte.
Ab dem 01.12.2024 sind die Beiträge für die Monats- und Selbstzahler von 2€ auf 3,90€ gestiegen und für die Rentner erhöhte sich der Beitrag von 3€ auf 3,50€. Bei gleichbleibenden Mitgliederzahlen könnten sich die Beitragszahlungen für 2025 wie folgt darstellen:
(1950x3,90€ + 264x3,90€ + 1283x3,50€) x 12 Monate = 157.501,20€
Die durchschnittlichen Auszahlungen würden sich bei den neu festgesetzten Beträgen (2.200€) in etwa wie folgt darstellen:
65x2.200€ = 143.000€
Doch was passiert, wenn gerade die jüngeren Menschen sich jetzt dazu entscheiden, nicht weiter Mitglied der Sterbekasse zu sein. Wenn der Solidaritätsgedanke eben nicht das entscheidende Argument ist, sondern die Absicherung der eigenen Familie.
Lasst uns doch mal errechnen wie viele Beiträge noch gezahlt werden, wenn jetzt 500, oder sogar 1.000 Mitglieder die Sterbekasse verlassen:
157.501,20€ - (500x3,90€x12Monate) = 134.101,20€
157.501,20€ - (1.000x3,90€x12Monate) = 110.701,20€
Zusätzlich verliert die Sterbekasse durchschnittlich nochmal 65 Mitglieder pro Jahr (650 in 10 Jahren), ohne das in Zukunft neue Beitragszahler hinzukommen. Es bleibt also abzuwarten, wie viele Mitglieder sich gegen einen Verbleib in der Sterbekasse aussprechen und wie dann die weitere Vorgehensweise aussehen wird. Werden die Beiträge erneut angehoben, sinkt vielleicht die Auszahlungssumme wieder, oder wird dann die Reißleine gezogen, weil die Sterbekasse mit dieser Satzung einfach zum Scheitern verurteilt ist?
Anstatt die Menschen, auf der Betriebsversammlung im Dezember 2024, anständig und vollumfänglich zu informieren, schmeißt man dann noch diese dritte Folie an die Wand:
Einfach: Einheitliche Satzung in allen Werken
Das kann man natürlich so sagen, aber mir hat es im ersten Moment den Eindruck vermittelt, wir hätten eine einheitliche Regelung in der ganzen Daimler Truck AG, was so leider nicht stimmt.
Solidarisch: Anpassung der Beiträge und Sterbegeldhöhe
Was an der Anpassung der Beiträge und der Sterbegeldhöhe solidarisch ist, erschließt sich mir nicht.
Informativ: Teilnehmende der Sterbekasse erhalten persönliches Anschreiben mit den Anpassungen
Ich bin der Meinung, dass den Mitgliedern auch die neue Satzung hätte zukommen müssen und nicht nur eine dürftige Zusammenfassung.
Gemeinsam: Einwilligungserklärung unterzeichnen und zurücksenden
Falls jemand fragen sollte, nein die Einwilligungserklärung wird nicht gemeinsam, sondern von jedem Mitglied persönlich unterzeichnet, vorausgesetzt man möchte in der Sterbekasse bleiben.
Zusammenfassend kann man sagen, dass die Bemühungen rechtlich „sauber“ zu werden, wohl offensichtlich nicht funktioniert haben, sonst würde man unsere Sterbekasse ja nicht langsam ausbluten lassen. Aber je nachdem wie viele jetzt die Reißleine ziehen, weil es eben für die allermeisten um die Absicherung der eigenen Familie geht, und nicht um eine solidarische Spende, kann es ja vielleicht doch noch ein würdevoller Tod werden.
Ich möchte aber an dieser Stelle noch erwähnen, dass ich jeden verstehen kann, der sagt, die Sterbekasse darf nicht sterben. Ich bleibe aus Solidarität drin, auch wenn meine Angehörigen nicht mehr davon profitieren werden. Aber wenn die Beiträge bald wieder steigen, ab welcher Summe endet eure Solidarität? Ab 5, 7 oder ab 10€? Oder zahlt ihr auch noch mehr?
Philipp Tiland
Truck Initiative Kassel
Anlage A: (gilt nur für Zentrale, Vertrieb und Financial Service)












Anlage B:













