Gegenleistung ohne Leistung
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12/2/2025
Gegenleistung ohne Leistung – darf das wirklich sein?
Viele von uns kennen mittlerweile die neue Gesamtbetriebsvereinbarung zur Einbringung von Qualifizierungszeit. Auf den ersten Blick sieht alles harmlos aus: Ein Tag pro Jahr soll für Weiterbildung genutzt werden, das Unternehmen „investiert“ in uns – das klingt doch prima, oder?
Doch der Blick hinter die Kulissen zeigt ein anderes Bild. Die Realität sieht so aus: 7 Stunden werden pauschal vom Zeitkonto abgezogen, bevor überhaupt eine konkrete Qualifizierungsmaßnahme geplant und angeboten wird. Für viele von uns bleibt die Frage offen: Welche Qualifizierung? Wann? Für wen relevant? Und bringt sie mir wirklich etwas für meine Arbeit? Die GBV ist von Anfang bis Ende nur in einem Punkt klar definiert – und das ist pauschal 7 Stunden einbringen.
Stellen wir uns vor, die Rollen wären umgekehrt.
Das Unternehmen zahlt einem Mitarbeiter pauschal einen Tag im Voraus – und dieser Mitarbeiter soll irgendwann im Jahr diesen Tag arbeiten. Stattdessen ruft er an diesem besagten Tag einmal im Unternehmen an, erkundigt sich nach dem aktuellen Stand der Dinge und erklärt: „Ich war zwar nicht physisch da, aber ich habe mich ja informiert und den ganzen Tag über an die Arbeit gedacht – damit habe ich meine Gegenleistung erbracht.“ Er sieht die Vorauszahlung als gerechtfertigt an und behält sie ein. Hier wird ein Prinzip außer Kraft gesetzt, das eigentlich selbstverständlich sein sollte: „Leistung nur gegen Gegenleistung“.
Würde das Unternehmen so etwas akzeptieren? Wohl kaum. Genau diese Absurdität spiegelt aber die aktuelle Praxis wider: Wir „bezahlen“ Zeit im Voraus, ohne dass eine konkrete Qualifizierungsmaßnahme stattfindet. Die Stunden werden pauschal abgezogen, die versprochene Leistung bleibt aus – und die Regelung wird dennoch als rechtmäßig dargestellt.
Qualifizierung sollte unsere Fähigkeiten verbessern, uns fördern und für unseren Job relevant sein. Stattdessen wird sie hier zum Vorwand, einseitig Zeitkonten zu belasten, ohne dass wir die versprochene Gegenleistung erhalten. Die Maßnahme existiert auf dem Papier – doch die Qualifizierung in der Praxis? In den meisten Fällen Fehlanzeige.
Wir sollten uns bewusst machen, dass es bei dieser Vereinbarung nicht nur um Stunden oder Abzüge geht – es geht um Respekt, Transparenz und Fairness sowie gegenseitige Wertschätzung. Wenn die Investition in unsere Weiterbildung nur einseitig „genutzt“ wird, dann profitieren ausschließlich die, die sie eingeführt haben – nicht wir, die die Zeit einbringen.
Mein Rat an alle Kolleginnen und Kollegen: Wenn ihr betroffen seid, prüft genau, ob die abgezogenen Stunden überhaupt für Qualifizierung genutzt wurden. Lasst euch nicht einfach pauschale Abbuchungen vom Zeitkonto aufdrücken, sondern prüft eure Möglichkeiten. Ich selbst habe die Rückbuchung der 7 Stunden beantragt, da die Maßnahme bei mir nicht stattgefunden hat – eine Antwort steht bislang aus. Solche Eingriffe ins Zeitkonto dürfen nicht kommentarlos hingenommen werden. Fair und transparent sollte es schließlich für alle sein.
Nun wünsche ich allen Kolleginnen und Kollegen, die ich dieses Jahr nicht mehr sehe, schöne Feiertage und einen guten Rutsch ins neue Jahr.
Euer Kollege
Enrico Hellmann






