Rede Lars Juni 25
6/4/2025
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir erleben erneut eine Zeit tiefgreifender Veränderungen. Alle großen Industrieunternehmen – auch wir hier bei Daimler Truck – stehen vor geopolitischen Herausforderungen, einer umfassenden Transformation zur Elektromobilität und einem zunehmenden globalen Wettbewerb. Doch bei all diesen Themen wird ein zentraler Aspekt leider häufig verdrängt: die soziale Verantwortung gegenüber uns, den Beschäftigten. Es scheint als sollten die einfachen Mitarbeiter, die Fehler und Versäumnisse von Politik und Vorstand ausbaden.
Ein Blick zurück zeigt, dass viele strukturelle Probleme nicht neu sind. Im Jahr 2004 wurde bei Daimler – damals noch DaimlerChrysler – schon einmal ein riesiges Sparpaket umgesetzt. Wenn man sich die einst abgeschlossenen Vereinbarungen nochmal vor Augen führt, stellt man schnell fest: „Es ist immer die gleiche Taktik“ Erstmal das große Messer zücken und die Menschen in Angst versetzen und sich dann die Rosinen rauspicken. Letztlich muss gespart werden und das an euch.
Außerdem wurde im gleichen Zeitraum, der ERA Tarifvertrag eingeführt. Dieser sollte mehr Gerechtigkeit und Transparenz in der Entgeltstruktur schaffen. Doch was ist seitdem wirklich passiert?
Die Mehrheit der Beschäftigten – insbesondere in Produktion und Montage – hat real an Einkommen verloren. Die früher erreichbaren Lohngruppen 8 und 9 sind heute de facto nur noch für sehr wenige zugänglich. Statt fairem Aufstieg erleben viele Kolleginnen und Kollegen eine systematische Deckelung der Einkommen, während gleichzeitig die Arbeitsbelastung stetig steigt und immer mehr abverlangt wird. Der ERA-Vertrag hat aus Sicht vieler Beschäftigter nicht zu Gerechtigkeit, sondern zu verdecktem Lohnabbau geführt.
Die abgegebenen 5% von 1996, sind bis heute nicht wie vereinbart zurückgeführt worden und so wird es nun auch mit den 2,55% sein, was ja sogar schon im Nebensatz angekündigt wurde.
Und was jetzt passiert, passiert ja nicht in wirtschaftlich schlechten Zeiten. Ganz im Gegenteil: 2023 erzielte Daimler Truck ein operatives Ergebnis (EBIT) von knapp 5 Milliarden Euro – ein Rekordgewinn. 2024 lag der Gewinn bei 3,5 Milliarden Euro. Für 2025 wird schon jetzt, ein EBIT von 3,5 Milliarden Euro prognostiziert.
Trotz dieser Milliardengewinne wurden Sonderzahlungen gekürzt: Die Ergebnisbeteiligung sank von 7.000 Euro im Jahr 2023, auf nur noch 4.140 Euro für das Jahr 2024. Gleichzeitig wurde das Sparprogramm Cost Down Europe angekündigt, wodurch der Druck auf die Beschäftigten weiter steigt, während die Aktionäre weiterhin sehr gute Dividenden kassieren. Entgegen der Gewinnbeteiligung blieb die Dividende nämlich mit 1,90€ auf dem Vorjahresniveau. Und all das, obwohl wir im vergangenen Jahr, sowohl ein Aktienrückkaufprogramm in Höhe von 1,5 Milliarden und eine IT-Umstellung, die die Daimler Welt so noch nicht gesehen hat, hatten. Und all das, Liebe Kolleginnen und Kollegen, drückt natürlich den Cash Flow.
Da müssen wir uns doch fragen: Wer trägt eigentlich die Last der Transformation und der Digitalisierung? Es sind wir, die Beschäftigten, die auf Sonderzahlungen verzichten sollen, mit stagnierenden oder sinkenden Reallöhnen leben müssen und die Unsicherheit über zukünftige Standort- und Arbeitsplatzsicherheit mittragen. Und das alles, obwohl wir Tag für Tag den Erfolg dieses Unternehmens, überhaupt erst ermöglichen.
Doch nicht nur die finanzielle Seite ist problematisch. Auch die Unternehmenskultur verändert sich – und das nicht zum Besseren. Bereits vereinbarte Tariferhöhungen werden teilweise in die Zukunft verschoben, obwohl sie schon jetzt, nicht mit der realen Inflation Schritt halten. Ein Beispiel: In unseren Betriebsrestaurants sind die Preise allein in den letzten 12 Monaten um 20 bis 30 Prozent gestiegen – deutlich mehr als die offizielle Inflationsrate.
Aber dürfen wir uns da beschweren? Nein besser nicht, denn das durchschnittliche Jahresgehalt eines Beschäftigten, hier bei uns beim Daimler liegt schließlich, bei um die 90 tausend Euro Jahresgehalt. Ja ihr habt richtig gehört. Ich glaube die allermeisten, die hier sitzen, sind weit weg, von dieser Summe. Aber das, ist das ermittelte Jahresdurchschnittsgehalt, aus den Vergütungsberichten. Und da verwundert es auch nicht, wie sich seit 2022 die Vorstandvergütungen entwickelt haben. Oder etwa doch? Ich denke schon! Denn wenn man mal genauer hinschaut, stellt man fest, dass die Vergütung der Vorstände im Schnitt über 50% gestiegen sind…. Und das ist mehr als vorsichtig gerechnet…
Und jetzt stellt euch mal vor, der Vorstand würde mit gutem Beispiel vorangehen und auch 2,55% von seiner Vergütung abgeben… Ich behaupte, auch so, würden die Vorstände Ihre Familien, noch gut durch den Winter bekommen, ohne nennenswerte Einschnitte zu verspüren. Auf der anderen Seite sind es aber gerade die niedrigen Lohngruppen, denen auch 50€ Verzicht, wirklich weh tun, nachdem ja die Letzten Tarifrunden, auch nicht wirklich eine spürbare Verbesserung brachten.
Bei uns Verzicht predigen, aber sich selbst einen ordentlichen Schluck aus der Pulle gönnen.
Im Intranet antwortete Daimler Truck Info, auf die Frage eines Beschäftigten, ob der Vorstand denn auch etwas zum Sparprogramm beiträgt: „Unsere nicht tariflichen Führungskräfte in Deutschland, beteiligen sich an der Verbesserung unserer Kostenbasis. Im Jahr 2025 findet keine pauschale Erhöhung der Grundvergütung statt, anders als im Tarifbereich.“
Ok, es wird also keine pauschale Erhöhung der Grundvergütung geben, aber ich behaupte mal, es besteht die entfernte Möglichkeit, dass dieses und nächstes Jahr eventuell der Boni etwas größer ausfällt.
In den letzten Tarifrunden zeigte sich schon, dass die Abschlüsse immer komplizierter werden. Anstatt endlich gegen die immer weiter aufgehende Schere im Lohngefüge vorzugehen und eine Festgeldforderung in den Tarifabschlüssen einzuarbeiten, wird mit wilden Formeln und Verrechnungen gearbeitet, was für kaum einen wirklich nachvollziehbar ist. Bestes Beispiel dafür ist die anstehende „Anrechnung“ der Tariferhöhung auf die überbetrieblichen Zulagen im kommenden Jahr. Der EG5er wird demnach im kommenden Jahr eine effektive Lohnerhöhung von 32,33€ oder 0,84% Prozent haben. Das liebe Kolleginnen und Kollegen deckt noch nicht einmal die Inflationsrate ab. Und unterm Strich, heißt es eigentlich nur, dass die EG Stufen 1-8 in Zukunft gar keine Übertarifliche Zulage mehr bekommen.
Hinzu kommt: Neben den stagnierenden Löhnen, wird uns allen nun aktuell ein selbst einzubringender Qualifizierungstag abverlangt, aber auf der anderen Seite, sollen die IG Metall Mitglieder zukünftig einen Tag mehr Urlaub bekommen. Da fragt man sich doch ernsthaft, ob Tarifvertragsparteien tatsächlich unterschiedliche Ziele verfolgen, oder ob man als Unternehmen sich nachhaltig selbst seine Verhandlungspartner aussuchen will…. Achtung! Das ist natürlich nur eine Verschwörungstheorie.
Dabei gäbe es andere Wege, effizienter zu werden. Statt immer mehr Arbeit auf immer weniger Schultern zu verteilen, sollten wir uns zum Beispiel fragen: “Was ist vorrausschauende gute Planung – und was verursacht durch ständige Änderungen und Nachforderungen unnötige Mehrarbeit?“ Wenn wir hier besser werden, sparen wir alle gemeinsam viele überflüssige Stunden – und das ganz ohne Kürzungen.
Jedoch sollte man auch im Auge behalten, dass die Mitbewerber, mit denen wir uns immer vergleichen, auf der Personalkostenseite überhaupt nicht günstiger sind als wir. Die Höhe der Löhne in den Skandinavischen Ländern ist eindeutig, auf einem vergleichbaren Niveau.
Ich möchte betonen: Ich bin ausdrücklich dafür, dass wir Maßnahmen ergreifen, um unser EBIT-Ergebnis zu verbessern. Aber wie das bisher geschehen ist, halte ich für fragwürdig. Denn statt uns zu motivieren, wurden viele von uns, erst verängstigt und dann demotiviert.
Angst, Liebe Kolleginnen und Kollegen ist zwar ein schlechter Ratgeber so sagt man, aber gerade die letzten Jahre haben eindeutig gezeigt, dass man mit Angst alles durchsetzen kann. Von Krieg über Lohnverzicht, von Klima bis hin zur körperlichen Unversehrtheit kann man mit Angst alles beeinflussen.
Was mir hier fehlt, ist eine positive Aufbruchsstimmung. Eine klare, glaubwürdige Botschaft des Vorstandes, die uns mitnimmt, begeistert und motiviert. Eine, die zeigt: Wir ziehen alle an einem Strang – und zwar gemeinsam. Wir halten zusammen! Das kann ich, bis zum heutigen Tag, leider nicht erkennen.
Unsere Forderungen sind klar:
Faire Beteiligung am Unternehmenserfolg – über eine gerechte Prämienverteilung und wieder echte Aufstiegsmöglichkeiten im ERA-System.
Wiederherstellung der Lohngerechtigkeit – insbesondere für die unteren Entgeltgruppen.
Verlässliche Sonderzahlungen wie, Urlaubs-, Weihnachts- und Jubiläumsgeld müssen bleiben.
Schluss mit der einseitigen Belastung der Mitarbeitenden – Transformation darf nicht zu Lasten der Beschäftigten gehen!
Bei Sparprogrammen auch die Vorstandsgehälter mit einbeziehen
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Gewinne steigen, müssen auch unsere Einkommen steigen. Wenn es dem Unternehmen gut geht, muss es auch den Menschen, im Unternehmen, gut gehen. Nur so schaffen wir Vertrauen, Zusammenhalt, Integrität und eine tragfähige Zukunft – für alle.
Abschließend zu diesem Themenkomplex: Ich habe alle Cost Down Europe Vereinbarungen sorgfältig durchgearbeitet und bei der Abstimmung – unter Berücksichtigung des noch ausstehenden Zukunftssicherungsvertrags – ausschließlich nach bestem Wissen und Gewissen sowie in eurem Sinne entschieden und konnte dem nicht zustimmen.
Bevor ich nun zum Ende komme, möchte ich noch auf ein aktuelles, ständig wiederkehrendes, Thema zu sprechen kommen. Es geht um das Thema Rückrechnungen zur Lohnabrechnung. Anfangs dachten wir ja alle, OK wir haben ein neues IT-System, nach der Einführungsphase wird sich das alles normalisieren. Aber weit gefehlt, gerade die letzten Wochen, häufen sich die Fälle, wo Mitarbeitende Nachberechnungen, nicht selten sogar, aus dem Vorjahr bekommen. In vielen Fällen ist nicht nachvollziehbar, was da so nachberechnet wurde. Viel schlimmer ist aber, dass das Unternehmen scheinbar „vergessen“ hat, dass es beiderseitige Ausschlussfristen gibt.
Weiterhin gibt es eine Reihe von Mitarbeitenden, welche im vergangenen Jahr, mit Aufnahme Ihres befristeten Daimler Truck Arbeitsverhältnis, mit einem Dienstleistervertrag in der Logistik gelandet sind. Jetzt Mitte Mai, wurden einige der betroffenen, betriebsbedingt zurück in Ihre Kostenstelle überführt. So weit, so gut könnte man meinen. Alles läuft wie vereinbart.
Leider hat die Sache dann doch einen Haken, denn eine Versetzung im laufenden Monat, ist mit Loga nicht mehr möglich. Das hat zur Folge, dass die betroffenen, für jeden geleisteten Arbeitstag im Monat Mai, 18 Minuten verloren haben. Ich habe das Thema gestern noch bei der Personalabteilung platziert und gehe fest davon aus, dass diesen Kollegen, welche über Jahre hinweg, schon höchste Flexibilität bewiesen haben, bei diesem Thema angemessen geholfen wird.
Trotz allem möchte ich euch bezüglich dieser Themen, wo irgendetwas, mit Zeit oder Entgelt nicht passt, nochmals auf die Ausschlussfristen hinweisen und euch abermals das Angebot machen, bei fragen Vertrauensvoll auf uns zuzukommen. Lasst euch nicht alles gefallen…
Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit
Lars Meyer
Truck Initiative Kassel

