Rede Lars Sept. 23
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Als ich im Dezember vergangenen Jahres, hier auf der Betriebsversammlung, darüber berichtet habe, dass das Unternehmen sich weigert, einer Handvoll ungeimpfter Kollegen, die Ihnen zustehende Quarantäneentschädigung zu beantragen bzw. auszuzahlen, war ich mir eigentlich ziemlich sicher, dass es das letzte Mal sein wird, dass ich über die vergangene Pandemie und ihre Auswirkungen berichten muss. Aber scheinbar hat Daimler ein Interesse daran, dass das Thema präsent bleibt.
Das während der Pandemie, eine nicht unerhebliche Zahl von Menschen, diskriminiert und ausgeschlossen wurden, ist ja nichts neues und da haben wir uns alle dran gewöhnt. Ungeimpfte Kolleginnen und Kollegen hatten Lohneinbußen hinzunehmen und keiner, weder die Unternehmensleitung noch der Betriebsrat, haben sich für diese Menschen verantwortlich gefühlt.
Naja, Strafe muss sein, könnte man jetzt denken. Schließlich war es, deren eigene unsolidarische Entscheidung, die heilbringende Impfung zu verweigern.
Was aber aktuell gerade passiert, haut dem Fass wirklich den Boden aus.
Stellvertretend für die betroffene Personengruppe, möchte ich euch einen Fall schildern.
Ein zweifach geimpfter Kollege, erkrankte im Februar des vergangenen Jahres an Corona. Er machte einen zertifizierten Schnelltest in einem Testzentrum. Der Test war positiv.
Auf dem Testzertifikat steht unter dem Testergebnis folgender Hinweis: „Begeben Sie sich in Quarantäne und kontaktieren Sie die Bundesweite Rufnummer des Ärztlichen Bereitschaftsdienst, für weitere Verhaltensregeln und zur nun benötigten Durchführung eines PCR-Tests“
Der Kollege begab sich Quarantäne und rief bei der besagten Rufnummer an. Dort wurde ihm folgendes mitgeteilt: „Wenn ihr Arbeitgeber, keinen PCR-Test verlangt, ist das Schnelltestergebnis ausreichend“
Also nahm der Kollege mit seiner Führungskraft Kontakt auf und erfragte ob nun ein PCR-Test erforderlich sei. Die Führungskraft, teilte dem Kollegen mit, dass er keinen PCR-Test benötigt. Der zertifizierte Schnelltest, sei ausreichend.
Denn, am ersten Februar des vergangenen Jahres, also bevor der Kollege in Quarantäne musste, wurde von unserer Standortleitung eine E-Mail mit dem Titel „Fragen und Antworten zum Umgang mit Fehlzeiten aus dem Zeitmanagement“ verschickt.
In dieser Mail wurden die Führungskräfte aufgeklärt, welche Nachweise erforderlich sind und was zu beachten ist bei coronabedingten Fehlzeiten.
Unter anderem wurde folgende Frage beantwortet:
Wie stellen wir die tatsächliche Erkrankung verbindlich fest?
Antwort: Wir stellen generell keine Erkrankung fest. Den Nachweis über eine Infektion liefert der Mitarbeiter, über die behördliche Quarantänebescheinigung, PCR-Test oder zertifizierten Schnelltest.
An dieser Stelle sei noch angemerkt, dass sämtliche Links, die von dieser Mail ins Intranet führten, mittlerweile gelöscht sind, was schon ein gewisses Geschmäckle erzeugt.
Als der Kollege im September vergangenen Jahres erneut an Corona erkrankte, musste er nach Rücksprache mit seiner Führungskraft, einen PCR-Test vorweisen. Dieser Anweisung leistete er folge und er wäre dieser Anweisung, selbstverständlich auch schon im Februar nachgekommen, wenn dies gefordert gewesen wäre.
Man sollte meinen, die Geschichte findet an dieser Stelle ihr Ende, dem ist leider nicht so. Wir machen einen Sprung, in den August dieses Jahres.
Am Donnerstag 17.08. wurde im HR-Bereich der Zentrale in Leinefelden ein Schreiben an den Kollegen verfasst, mit Frist zum darauffolgenden Montag 21.08. einen positiven PCR-Test für den Februar des vergangenen Jahres nachzuweisen.
Unter der Forderung ist noch ein wichtiger Hinweis zu finden:
„die Auszahlung der Entschädigungsleistung durch uns, an Sie, ist vorbehaltlich der Rückerstattung durch die Behörde erfolgt. Sollten Sie uns den Nachweis nicht fristgemäß zusenden und wir aufgrund dessen einen Ablehnungsbescheid erhalten, werden wir die bereits ausgezahlte Entschädigung mit der nächsten Entgeltabrechnung einbehalten“
Wie bitte? Wer hat darüber aufgeklärt, dass die Zahlung vorbehaltlich war? Die Unternehmensleitung? Die Standortleitung? Gesamtbetriebsrat oder Standortbetriebsrat?
Nein, die waren alle viel zu beschäftigt damit, AHA-Regeln aufzustellen, Einbahngehwege einzurichten und fürs Impfen zu werben.
Angeblich sollen auch Informationen an die Belegschaft geflossen sein, dass die Quarantäneersatzleistung nur unter Vorbehalt gezahlt wurde.
Mir persönlich ist das völlig neu. Ich habe bis heute auch kein Schriftstück mit diesem Inhalt einsehen können.
Ich kann da auch nicht wirklich, aus eigener Erfahrung berichten, denn ich war nie in Quarantäne. Ich bin tatsächlich ungeimpft und ohne Coronainfektion durch die Pandemie gekommen.
Und als wäre der Umgang mit den ungeimpften Kollegen während der Pandemie nicht schon schlimm genug gewesen, setzt man nach meinem dafürhalten, nun nochmal einen oben drauf, indem man Kolleginnen und Kollegen, die sich an alles gehalten haben, nun finanziell benachteiligt, weil das Gesundheitsamt, seiner Verpflichtung nicht nachkommt.
Daimler macht es sich an dieser Stelle verdammt einfach. Anstatt vor das Verwaltungsgericht zu gehen und den entstandenen Schaden einzuklagen, bricht man es auf den Betroffenen runter und lässt dem kleinen Mitarbeiter den Schaden. Wir wissen alle wie katastrophal die Kommunikation während der Pandemiezeit war. Die Medien, die Politik und auch Daimler inklusive der Betriebsratsgremien haben da auf voller Breite versagt.
Und auch wenn das Verhalten des zentralen HR-Bereichs aus rechtlicher Sicht nachvollziehbar ist, ist diese Aktion an moralischer Verwerflichkeit kaum zu überbieten.
Ein Team, eine Mannschaft, Offen für Vielfalt, Respekt, Solidarität….
Alles nur leere Worthülsen, das kotzt mich wirklich an.
Und mal ganz im Ernst, das ist nur ein Zerwürfnis von vielen, welche uns die Coronazeit gebracht hat.
Was ist eigentlich mit einer objektiven Aufarbeitung der Pandemiezeit hier beim Daimler? Auch mit Blick auf die Zukunft.
Diejenigen, die seinerzeit hier an vorderster Front das Impfen bewarben, es als ausweglose und einzige Lösung darstellten, völlig unsinnige Regeln erlassen haben, wie z.B. die Maskenpflicht unter freiem Himmel, sollten nun auch mal Ihrer Verantwortung nachkommen, dafür geradestehen und zum Ausdruck bringen, dass man aus den Erfahrungen gelernt hat.
Gerade häufen sich auch schon wieder die Berichte zu neuen Varianten und erste Länder haben auch schon wieder Coronamaßnahmen eingeführt. Ich persönlich hoffe natürlich, dass es hier nicht auch wieder so weit kommt. Sollte es doch anders kommen, möchte ich dafür werben, dass dieses Mal bedachter vorgegangen wird als beim letzten Mal. Es dürfen ausschließlich Maßnahmen getroffen werden, die dem jeweiligen Stand der medizinischen und epidemiologischen Wissenschaft und Technik entsprechen. Nicht mehr und nicht weniger. So steht es im Paragraf 1 des Infektionsschutzgesetzes.
Und ich kann auch nur jedem empfehlen, nachdem was ich eben berichtet habe, sich in jedem Fall, auch bei einer Coronainfektion, immer arbeitsunfähig schreiben zu lassen, um diese unnötigen Probleme zu vermeiden.
Und sollten noch mehr Kolleginnen und Kollegen hier am Standort von den Rückforderungen betroffen sein, wendet euch gern an uns, wir werden euch unterstützen.
Lars Meyer